Die Ressourcen, die wir in unseren Gebäuden verbauen, sind zu wertvoll, zu rar und zu energie- und CO2-intensiv produziert,
als dass wir sie sorglos verschwenden oder gar wegwerfen könnten. Mit der Anwendung des Konzepts „Zirkuläres Bauen" können wir zur Lösung von heutigen und zukünftigen materialbezogenen Versorgungs-, Umwelt- und Gesundheitsproblemen beitragen. Essentiell hierfür ist die konsequente Umsetzung zirkulär ausgerichteter Grundgedanken und Bedarfe, Designkonzepte und Ausführungsdetails.
Im Sinne des zirkulären Bauens setzen sich die Akteurinnen und Akteure der Bau- und Immobilienwirtschaft (1) mit dem Erhalt, der Aufwertung und der Aktivierung des Gebäudebestands auseinander und nehmen diesen als wertvolle Materialquelle und -lager wahr. Sie nutzen (2) heute vorhandene Materialströme und geschaffene Werte intensiv. Darüber hinaus (3) ermöglichen sie eine langfristige Nutzung und zukünftige Verwendung in geschlossenen Kreisläufen, so dass über den gesamten Lebenszyklus kein Abfall entsteht. Unter Berücksichtigung von ökologischen und gesundheitlichen Aspekten fördern sie somit den Erhalt oder eine Steigerung der Qualitäten und der ökonomischen Werte von Quartieren, Gebäuden, Bauprodukten und Materialien.
Als Akteurinnen und Akteure einer zirkulären Gesellschaft leisten sie durch ihr zirkuläres Denken und Handeln wichtige und positive Beiträge zu diversen Nachhaltigkeitszielen. Sie agieren konsistent mit Naturkreisläufen und entkoppeln ihre wirtschaftliche Aktivität vom Konsum nicht erneuerbarer Ressourcen.
Die Definition sowie die Grafik sind im Rahmen der Publikation "IM FOKUS – Zirkuläres Bauen" entstanden.
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Die Inhalte dieses Dokuments wurden unter Mitwirkung vom „Ausschuss Lebenszyklus und Zirkuläres Bauen" der DGNB entwickelt.
Der Ausschuss vereint die Expertise ausgewählter Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des zirkulären Bauens und der Lebenszyklusbetrachtung. In einem fachlichen Austausch werden die bestehenden Ansätze und Definitionen zum zirkulären Bauen kritisch beleuchtet, die Lebenszyklusbetrachtung und die damit verbundenen Instrumente verstärkt einbezogen und ein gemeinsames Verständnis zum Thema zirkuläres Bauen in der Planungspraxis gefördert.
Das zirkuläre Bauen ist ein Kernthema des DGNB Systems. Zentrale Aspekte wie der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen, die lebenszyklusorientierte Planung von Gebäuden sowie die Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit und der Verzicht auf kritische Inhaltsstoffe sind seit der ersten Version des DGNB Systems (2008) mit einem hohen Stellenwert in den Zertifizierungskriterien verankert. Besonders fortschrittliche zirkuläre Lösungen wirken sich darüber hinaus über Bonuspunkte für die „Circular Economy" positiv auf das Bewertungsergebnis aus. Zudem führen Wiederverwendung, Recycling und Verzicht auf den Einsatz materieller Ressourcen zu einer besseren Bewertung der CO2- und Ökobilanz von Gebäuden. Somit kann mit einem zirkulär geplanten und realisierten Gebäude bereits mehr als ein Drittel des Gesamterfüllungsgrads für die DGNB Zertifizierung erreicht werden.
Mit dem 2020 eingeführten DGNB System für den nachhaltigen Gebäuderückbau lässt sich erstmals auch die nachhaltige und zirkuläre Umsetzung eines Rückbaus von Gebäuden oder Gebäudeteilen im Rahmen einer Zertifizierung bewerten.
DGNB Kriterien mit besonderer Berücksichtigung des zirkulären Bauens
Inhaltlich zielt das DGNB Rückbauzertifikat darauf ab, Rohstoffe im Kreislauf zu führen, Recycling zu unterstützen und die zu entsorgenden Massen zu reduzieren. Als Qualitätssicherungsinstrument setzt es Anreize, die Nachhaltigkeit von Rückbauprozessen, die vor einer Neubau- oder Sanierungsmaßnahme stattfinden, auf ganzheitliche Weise zu erhöhen. Dabei geht es um mehr als eine sortenreine Trennung von Abfällen oder die Wiederverwendung von Materialien. Auch Themen wie Gefahrstoffsanierung, Risikobewertung und Kostensicherheit stehen im Fokus.
Insgesamt können fünf Grundprinzipien definiert werden, die einen nachhaltigen Gebäuderückbau ausmachen:
Transparenz schaffen: Um die Werte der vorhandenen Ressourcen sichern zu können, muss Transparenz geschaffen werden hinsichtlich der beim Rückbau anfallenden Massen und Transportwege, der Kosten und Risiken des Rückbaus und der Werte der Ressourcen, die am Ende des Lebenszyklus noch vorhanden sind.
Gefahrstoffe identifizieren: Zudem gilt es, Gefahrstoffe zu identifizieren und angemessen zu beseitigen. Ziel ist es hierbei nicht, dass um jeden Preis eine Wiederverwendung stattfindet, sondern eine möglichst hohe sortenreine Trennung erreicht wird, die Gefahrstoffe separiert, damit die weiteren Stoffströme im Kreislauf gehalten werden können.
Verwertung und Entsorgung optimieren: Um im Sinne der Kreislaufwirtschaft einen hohen Wert der Ressourcen beizubehalten, ist eine Optimierung der Verwertungs- und Entsorgungswege erforderlich und möglichst eine Wiederverwendung oder Verwertung vor Ort anzustreben. Ebenso müssen die anfallenden Massen auf der Baustelle sortenrein getrennt werden.
Menschen im Fokus: Eine besonders hohe Relevanz kommt dem Umgang mit den Beteiligten zu. Zum einen spielt hier das Thema Sicherheit eine wichtige Rolle. Zum anderen ist eine proaktive Kommunikation sowohl mit den Mitarbeitern als auch mit den Anwohnern entscheidend. Sie ermöglicht einen reibungslosen Ablauf und beugt Konflikten vor.
Prozesse verbessern und ausbauen: Um diese Ziele zu erreichen, müssen bereits bestehende Rückbauprozesse verbessert und erweitert werden. Da die Prozesse entscheidend sind für die Optimierung des Rückbaus insgesamt, legt das DGNB System hier einen klaren Fokus.
Die Wiederverwendung von Baustoffen und Bauteilen ebenso wie deren Verwertung bieten große Potenziale in allen drei Säulen der Nachhaltigkeit. Eine detaillierte Übersicht erhalten Sie hier.
In der Praxis scheitert eine Umsetzung in der Regel aktuell jedoch vor allem an der inneren Haltung der am Bauprozess beteiligten Akteure sowie der Gebäudenutzer, da Bauteile, die bereits verwendet wurden, häufig noch automatisch mit einer niedrigeren Qualität in Verbindung gebracht werden. Hinderlich sind auch die bestehende Unsicherheit und Unwissenheit bezüglich der Rechtslage bei dem Wiedereinsatz gebrauchter Bauteile und Baustoffe sowie die Tatsache, dass die bestehenden Prozesse häufig noch nicht wirtschaftlich und dementsprechend noch nicht skalierbar sind. Darüber hinaus besteht heute ein Verfügbarkeitsproblem: Nicht immer sind die entsprechenden Materialien oder Produkte in der erforderlichen Menge mit den gleichen Qualitätsniveaus überhaupt vorzufinden.
Für die Wiederverwendung lassen sich drei konkrete Handlungsfelder identifizieren:
Die jeweiligen Herausforderungen sowie die daraus resultierenden Aufgaben und notwendigen Schritte für die am Bauprozess beteiligten Akteure sind nachfolgend dargestellt:
Handlungsfelder Wiederverwendung
Verliert ein Gebäude seine ursprüngliche Funktion, erfolgt der Rückbau. Wurde eine mögliche Wiederverwendung der Bauteile/Teilbauteile/Bauprodukte ausgeschlossen, stellt die Verwertung ein mögliches Szenario dar. Um eine spätere Verwendung oder Verwertung zu ermöglichen, sind anfallende Bau- und Abbruchabfälle laut Gewerbeabfallverordnung getrennt zu sammeln und zu befördern.
Für die Verwertung lassen sich vier konkrete Handlungsfelder identifizieren:
Die jeweiligen Herausforderungen sowie die daraus resultierenden Aufgaben und notwendigen Schritte für die am Bauprozess beteiligten Akteure sind nachfolgend dargestellt:
Das Teilen von Flächen ist – wie viele andere Ansätze der Circular Economy auch – keine neuartige Idee, sondern im Alltag bereits in vielen Bereichen akzeptiert und verbreitet. Die
Motivation für die Mehrfachnutzung kann beispielsweise aus Gründen der Effizienz entstehen, etwa indem gemeinschaftliche Infrastruktur und Versorgungsflächen wie Küchen oder Sanitäreinrichtungen nur einmal angelegt werden müssen und die Pflege und Instandhaltung unter den Nutzern aufgeteilt werden kann. Es können aber darüber hinaus auch soziale Aspekte eine Rolle spielen, wenn über die gemeinschaftliche Nutzung von Flächen soziale Kontakte entstehen, das Quartier durch längere Nutzungszeiten und eine höhere Vielfalt belebt wird und ein stärkerer Austausch mit dem gesellschaftlichen Umfeld erfolgt.
Die DGNB hat die Mehrfachnutzung von Flächen in ihrem Zertifizierungssystem bereits von Anfang an gefördert. Maßnahmen zur Erhöhung der Zugänglichkeit von Gebäuden (z. B. öffentlich nutzbare Freianlagen am Gebäude, öffentlich zugängliche gastronomische Angebote oder die Vermietung von Räumlichkeiten an Dritte) sowie zur Steigerung der Nutzungsvielfalt sorgen dafür, dass sich die tägliche Nutzungsdauer des Gebäudes verlängert und mehr Menschen an der Gebäudenutzung teilhaben können. Dies wiederum fördert die Identifikation der Nutzer mit dem Quartier und der gebauten Umwelt. Mit der Version 2018 des DGNB Systems wird die Mehrfachnutzung von Flächen darüber hinaus durch zwei Circular-Economy-Boni belohnt.
Lesen Sie hier mehr zu den Potenzialen aber auch den Grenzen der Mehrfachnutzung.
Welche zentralen Herausforderungen und Anforderungen werden an die Mehrfachnutzung von Flächen gestellt?
Folgende Handlungsfelder lassen sich ableiten:
Je nach Ausgangslage eines Bauvorhabens lassen sich zirkuläre Strategien in unterschiedlichem Umfang umsetzen. So bieten sich etwa bei einer Sanierung andere Möglichkeiten als bei einem Neubauprojekt mit einem Rückbau oder Teilrückbau. Daher ist es wichtig, die individuellen Möglichkeiten in jedem Projekt aufs Neue auszuloten und so weit es geht entsprechend umzusetzen. Als Akteurin oder Akteur einer zirkulären Bau- und Immobilienwirtschaft laden wir Sie ein, die folgende Checkliste zur Umsetzung zirkulärer Strategien bei Ihren Projekten zu nutzen:
Checkliste Umbau- und rückbaufreundliche Planung
Checkliste: Mehrfachnutzung von Flächen
Mehr zum Thema finden Sie hier.
Im Rahmen der DGNB Sustainability Challenge sucht die DGNB regelmäßig Innovationen, die Bestehendes hinterfragen, Neues anstoßen und Veränderung bewirken und so zu mehr Nachhaltigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft beitragen. Einige von ihnen treiben mit ihrer Idee insbesondere die Realisierung zirkulärer Strategien voran.
Zur den Gewinnern und Finalisten
Darüber hinaus finden Sie im Folgenden weitere beispielgebende Projekte, die zirkuläre Strategien umgesetzt haben:
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Rathaus Korbach Rückbau des nicht sanierungswürdigen Rathaus-Anbaus aus dem Jahr 1970 und Errichtung eines Neubaus an derselben Stelle. Selektiver Rückbau mit anschließendem ortsnahen Recycling der mineralischen Abbruchmaterialien. |
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Reallabor Space Sharing Stuttgart Mit dem „Reallabor Space Sharing" werden praxisnah neue Modelle der Raumnutzung und Nutzungsintensivierung durch Mehrfachnutzung erforscht und erprobt. Das im Jahr 2015 ins Leben gerufene Projekt ist ein vom „Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg" im Rahmen des Landesprogramms „Stärkung des Beitrags der Wissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung" gefördertes Forschungsvorhaben. |
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Urban Mining & Recycling (UMAR) Kreislaufgerechte Experimentaleinheit im Forschungsgebäude NEST der Empa (Dübendorf, CH) Einsatz lediglich sortenreiner, schadstofffreier und vollständig wieder- und weiterverwendbarer, -verwertbarer, bzw. kompostierbarer Materialien. Die Materialien werden nach dem Rückbau (geplant 2023) in ihre biologischen und technischen Kreisläufe zugeführt. |
Was braucht es, um den Gedanken des zirkulären Bauens bzw. der Circular Economy in der Öffentlichkeit zu verankern? Welche Rolle spielt Circular Economy bereits in Unternehmen? Wir haben mit Expertinnen und Experten zu diesem Thema gesprochen und erste Stimmen aus der Praxis gesammelt.
Martin Pauli von Arup Deutschland GmbH
Tina Snedker Kristensen von Troldtekt A/S
Alexander Geißels von SAINT-GOBAIN ISOVER G+H AG
Teodor Tudorica von CRAFTWAND
Die DGNB Akademie hat eine Seminarreihe zum Thema Circular Economy entwickelt. Alle kommende Termine finden Sie hier.
Darüber hinaus ist die DGNB zum Thema Circular Economy immer wieder auf eigenen und externen Veranstaltungen vertreten. Alle aktuellen Termine finden Sie hier. Digitale Angebote der DGNB zum Thema finden Sie hier.
Hier finden Sie relevante DGNB Publikationen rund um das zirkuläre Bauen. Die Liste wird laufend erweitert.
Im Fokus: Zirkuläres Bauen
Oktober 2022
Dieses Dokument hat zum Ziel, ein gemeinsames Verständnis des Konzepts „Zirkuläres Bauen" sowie dessen strategische Verankerung in individuellen Bauvorhaben zu fördern. Es soll die Akteurinnen und Akteure der Bau- und Immobilienwirtschaft dabei unterstützen, für jedes Projekt bereits zu einem frühen Zeitpunkt individuelle Ziele und Schwerpunkte zu diskutieren und festzulegen sowie ihre Unternehmen und Organisationen zirkulär auszurichten. So können sie Haltung für die dringend notwendige Transformation einnehmen und aktiv dazu beitragen, das zirkuläre Bauen als wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Bauen verstärkt in der Praxis umzusetzen.
Circular Economy
Kreisläufe schließen heißt, zukunftsfähig sein
Januar 2019
In den vergangenen Jahren hat der Begriff „Circular Economy" zunehmend Verbreitung gefunden und ist inzwischen auch im Bauwesen zu einem relevanten Thema geworden. Das Konzept, das der Circular Economy zu Grunde liegt, ist vielversprechend: Über die Wertschätzung sowie die Wiederverwendung und Verwertung von Ressourcen soll deren Verfügbarkeit und Qualität für kommende Generationen sichergestellt werden. Die Circular Economy ist somit ein elementarer Baustein der Nachhaltigkeit und überträgt diese auf das Wirtschaftssystem und dessen einzelne Sektoren.
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Gebäuderessourcenpass – Entwurf der DGNB
In dem im November 2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung angekündigt, einen digitalen Gebäuderessourcenpass einzuführen, ohne diesen inhaltlich näher zu konkretisieren. Es solle eine Maßnahme sein mit dem Ziel, „die Grundlagen (zu) schaffen, (um) den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können" sowie um „im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft (zu) kommen." Um mehr Geschwindigkeit bei der Einführung des Instruments sowie mehr Akzeptanz für die Anwendung zu erreichen, hat die DGNB mit ihrem Ausschuss für Lebenszyklus und zirkuläres Bauen einen Entwurf entwickelt.
Market feedback from testing the proposed Circular Economy EU-Taxonomy Technical Screening Criteria for Buildings
Im März 2022 schlug die Platform on Sustainable Finance der EU Taxonomie-Screening-Kriterien für den Neubau und die Renovierung von Gebäuden vor, die zur Kreislaufwirtschaft beitragen. Um die Markfähigkeit der vorgeschlagenen technischen Screening-Kriterien zu evaluieren hat ein Studienkonsortium bestehend aus der DGNB, sieben weiteren GBCs und der Climate Positive Europe Alliance (CPEA) eine gemeinsame Studie gestartet. Bei einem Roundtable am 7. Oktober 2022 hat das Konsortium Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission sowie der Platform on Sustainable Finance einen ersten Zwischenbericht mit Empfehlungen vorgestellt. Der finale Report ist für Januar 2023 geplant.
Dr. Anna Braune
Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung
Telefon: +49 711 722322-67
a.braune at dgnb.de