Zirkuläres Bauen verfolgt das Ziel, Gebäude zu schaffen, die über den Lebenszyklus optimiert sind. Mit Blick auf den Materialeinsatz geht es darum, auf bereits verfügbare Ressourcen zurückzugreifen, die Massen zu reduzieren und damit die Umweltwirkungen zu minimieren. Um zu beurteilen, ob Bauwerke bereits heute einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten, wie lange sie genutzt und angepasst werden können und ob sie auch zukünftig demontierbar, trennbar und verwertbar, also kreislauffähig sind, bedarf es einer fundierten Informationsgrundlage.
Genau hier setzt der Gebäuderessourcenpass der DGNB an. Als Dokumentationsformat schafft er in der Praxis eine Informationsgrundlage für alle Phasen im Lebenszyklus eines Bauwerks und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Transparenz über die verbauten Materialien, die Treibhausgasemissionen von Gebäuden sowie deren Kreislauffähigkeit. Darüber hinaus ist er anschlussfähig an bestehende Werkzeuge.
Das Grundkonzept des Gebäuderessourcenpasses lehnt sich an die Idee des erfolgreich etablierten Energieausweises an. Das Prinzip: In dem Ressourcenpass sollen individuell für jedes Gebäude die wesentlichen Informationen rund um die Ressourcennutzung, die Klimawirkung und die Kreislauffähigkeit angegeben werden.
So sollen alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, um den Aufbau von „Urbanen Minen", die Realisierung zirkulärer Sanierungen und Neubauten sowie kreislaufgerechten Abbruch bestmöglich zu unterstützen.
Langfristig schafft der Gebäuderessourcenpass die Grundlage für eine konsistente Kreislaufwirtschaft im Bausektor, in der alle Lebenszyklusphasen vom Design bis zur Wiederverwendung oder Verwertung optimal miteinander koordiniert und verzahnt sind. Erforderlich dafür sind die vollständige Transparenz über verbaute Materialien und Komponenten, ihre Werte und Besitzverhältnisse. Sie ist die Basis für ein neues gemeinsames Wirtschaften, neue Geschäftsmodelle sowie für eine hohe Qualität unserer gebauten Umwelt.
Eigentümer von Neu- oder Bestandsbauten bekommen Aufschluss über die tatsächlich verbaute Materialität sowie mögliche gesundheitsgefährdende Schadstoffe. Auch erhalten sie Informationen, welche werkstofflichen Potenziale und Werte vorhanden sind. Für Planende bietet das Instrument Mehrwerte, insbesondere wenn die optionalen Zusatzblätter (siehe unten) zum Gebäuderessourcenpass gepflegt werden. Diese ermöglichen vertiefende Analysen für eine qualifizierte Beratung von Bauherren sowie die Ausarbeitung von kreislaufgerechten, ressourcenschonenden Varianten.
Bauausführende können das Format nutzen, um die von ihnen umgesetzten Maßnahmen systematisch zu dokumentieren und ihre erbrachten Leistungen übersichtlich darzustellen. Und auch Kommunen können von der Erstellung von projektindividuellen Gebäuderessourcenpässen profitieren. Sie können beispielsweise als Grundlage zum Aufbau und Management von urbanen Minen dienen. Perspektivisch könnte das Format auch die Grundlage zur Genehmigung von ressourcenoptimierten, kreislaufgerechten Gebäuden bieten.
Der Gebäuderessourcenpass ist sowohl für Neubauten als auch im Bestand einsetzbar. Er ist als ausfüllbare Vorlagen zu verstehen. Grundlage sind ein Bauteilkatalog, Exporte aus BIM-Modellen oder die Katalogisierung des Bauwerks in entsprechenden Tools.
Eine ausführliche Anleitung zur Anwendung der Vorlagen mit einer Detailbeschreibung aller adressierten Themenfelder folgt in Kürze.
Einige Anbieter von digitalen Tools zur Gebäudedokumentation oder -optimierung wie Concular, Madaster, das Circularity Design Toolkit von EPEA oder der Urban Mining Index haben die inhaltlichen Anforderungen des Gebäuderessourcenpasses der DGNB bereits integriert oder planen dies umzusetzen. Auch die Anschlussfähigkeit an Maßnahmen des Bundes und der EU, wie den geplanten digitalen Gebäudepass, soll sichergestellt werden.
Abhängig davon, welche Informationen zum Gebäude zur Verfügung stehen, ist der Gebäuderessourcenpass in zwei Varianten verfügbar: einer vollständigen Fassung und einer reduzierten für den Einstieg.
DGNB Gebäuderessourcenpass (vollständige Fassung) DGNB Gebäuderessourcenpass (reduzierte Fassung)Das folgende Tool kann für die Ausgabe der relevanten aggregierten Informationen und Werte zu den Gebäuderessourcen verwendet werden - sowohl in der reduzierten als auch der vollständigen Fassung. Zur Veranschaulichung der Anwendung finden Sie darunter zudem ein Anwendungsbeispiel anhand eines fiktiven Projektes.
DGNB Gebäuderessourcenpass - Eingabetool DGNB Gebäuderessourcenpass - Eingabetool (Beispiel)Darüberhinaus finden Sie untenstehend ebenfalls beispielhaft anhand eines fiktiven Projektes einen ausgefüllten Gebäuderessourcenpass sowie ein Dokument, das sechs Zusatzblätter umfasst, mit denen eine tiefergehende Dokumentation möglich ist.
DGNB Gebäuderessourcenpass (Beispielprojekt - vollständige Fassung) DGNB Gebäuderessourcenpass (Beispielprojekt - reduzierte Fassung) Optionale Zusatzblätter (Stand März 2023)Inhaltlich umfasst der Gebäuderessourcenpass sechs übergeordnete Bereiche mit insgesamt 25 Teilaspekten, die entweder verpflichtend oder optional anzugeben sind:
Gebäuderessourcenpässe bilden den Ressourcenwert unserer gebauten Umwelt ab. Indem jedem Gebäuderessourcenpass eine eindeutige Identifikationsnummer (ID) zugewiesen wird, lassen sich die darin bereitgestellten Informationen in Zukunft eindeutig zuordnen.
Um die Qualität und Zuverlässigkeit der bereitgestellten Daten einschätzen zu können, wird im Gebäuderessourcenpass je Bereich die Datenqualität bewertet und als Zahl von 0 bis 3 in Form eines Datenqualitätsindex ausgegeben. Dieser Index klassifiziert die Güte der Daten hinsichtlich der jeweiligen angewandten Methodik zur Datenermittlung.
Die Basisinformationen des Gebäuderessourcenpasses umfassen neben Standort und Baujahr auch die Art der Bauweise und die Einordnung in Bestandserhalt und Neubau. Diese Informationen sind für den Ressourceneinsatz und -erhalt von zentraler Bedeutung. Die Art der Bauweise kann unter anderem die Lebensdauer eines Gebäudes sowie die Verfügbarkeit von Materialien und Bauteilen für eine spätere Wiederverwendung beeinflussen. Die Entscheidung für den Erhalt von Bestand ist vor dem Hintergrund sich verknappender Ressourcen im Bausektor unumgänglich, weshalb diese im Gebäuderessourcenpass deutlich gekennzeichnet ist.
Zirkuläre Aspekte des Ressourceneinsatzes für das Gebäude können über massenbezogene Quoten dargestellt werden. Um solche Quoten zu ermitteln, muss die Gesamtmasse des Gebäudes bekannt sein.
Die flächengewichtete Gesamtmasse setzt die Gesamtmasse des Gebäudes in Relation zur vorhandenen Fläche und ermöglicht somit eine Vergleichbarkeit mit anderen Gebäuden.
Um Vergleichbarkeit zu erlangen und die Aussagekraft und Qualität der im Gebäuderessourcenpass angegebenen Informationen zur Zirkularität adäquat einschätzen zu können, ist es erforderlich, den Betrachtungsumfang und eine Schätzung anzugeben, auf welchen Anteil der Gebäudemassen sich alle ressourcenbezogenen Angaben im Gebäuderessourcenpass beziehen.
Im Gebäuderessourcenpass können und sollen gesammelte Informationen aus Materialpässen und Bauteilkatalogen gebündelt und eingeordnet werden. Zur Einordnung der Datenqualität und zur Herstellung der Vergleichbarkeit sollte die Datengrundlage im Gebäuderessourcenpass qualitativ kurz beschrieben werden.
Die Restnutzungsdauer eines Gebäudes ergibt sich als Differenz aus der Gesamtnutzungsdauer und dem Alter des Gebäudes.
Die verschiedenen Materialarten, die im Gebäude eingesetzt sind, sollen in massebezogenen Quoten angegeben werden. Die materielle Beschaffenheit des Gebäudes wirkt sich sowohl auf dessen Kreislauffähigkeit als auch auf verbaute Emissionen aus. Eine Kenntnis über die vorhandenen Materialarten ist Grundlage für eine optimale spätere Nutzbarkeit der Materialien. Die Klassifizierung der Materialarten erfolgt angelehnt an Europäische Vereinbarungen.
In einer zirkulären Bau- und Immobilienwirtschaft lassen sich Bauteile, Produkte oder Werkstoffe nach der Nutzungsphase wieder neu in den Kreislauf einbringen und sind im Idealfall nützlich für Mensch und Umwelt. Wenn Bestandteile von Bauteilen, Produkten oder Werkstoffen bereits heute als Schad- oder Risikostoffe eingestuft sind oder für diese eine Verbotsperspektive besteht, erschwert oder verhindert dies eine zukünftige Verwendung oder Verwertung. Bereits eingesetzte Schad- oder Risikostoffe sollten perspektivisch in geschlossenen Kreisläufen isoliert werden, damit sie eine Kreislaufführung nicht verhindern.
Es bedarf daher einer Aussage, ob im Gebäude Schadstoffe vorhanden sind. Weiterreichende Maßnahmen können über Zertifikate bestätigt und im Gebäuderessourcenpass dokumentiert werden. Eine Verifikation über gängige Instrumente, wie die Anwendung des DGNB Systems (Kriterium „Risiken für die lokale Umwelt" ENV1.2 oder gemäß „EU-Taxonomie Verifikation" der DGNB) oder des BNB Systems (Kriterium „Risiken für die lokale Umwelt" K1.1.6) ist zu empfehlen und kann im Gebäuderessourcenpass dargestellt werden. Darüber hinaus ist bei Bestandsbauten die Information wichtig, ob und wenn ja wann und mit welchem Ergebnis ein Schadstoffgutachten erstellt worden ist.
Die Angabe der massengewichteten Anteile an erhaltenen, verwerteten und erneuerbaren oder nicht-erneuerbaren Primärmaterialien, die in das Gebäude eingebracht wurden, gibt Aufschluss über den bereits effektiv geleisteten Beitrag zur zirkulären Bau- und Immobilienwirtschaft. Über eine differenziertere Auflistung und Unterteilung dieser Anteile in wiederverwendete, verwertete (recycelte) Materialien sowie nachwachsende Rohstoffe im Gebäude wird die Qualität dieses Beitrags und die unternommenen Anstrengungen zur heutigen Umsetzung der Kreislaufführung verdeutlicht. Zusätzlich kann eine Angabe zu den vermiedenen Primärmaterialien getätigt werden.
Große Teile des globalen Abfallaufkommens entstehen bei den Abbruch- und Bauprozessen. Die hier anfallenden Materialien sollten als wertvolle Ressourcen betrachtet und mit größtmöglichem Nutzen verarbeitet werden. Sowohl die gesamten Massen an Bau- und Abbruchabfällen als auch die Verwertungswege sind anhand von Quoten zu dokumentieren.
Um den Einfluss des Bauwerks bzw. der durchgeführten Maßnahmen im Rahmen von Modernisierungen auf das Klima einschätzen zu können, ist Transparenz über den Treibhausgasausstoß (ermittelt über den gesamten Lebenszyklus) notwendig. Über die Darstellung und Zuordnung der Treibhausgasemissionen (und der eingesetzten nicht erneuerbaren Primärenergie) im Gebäuderessourcenpass auf die nach DIN EN 15978 strukturierten Lebenszyklusphasen, kann identifiziert werden, in welcher Höhe Treibhausgasemissionen und Energieverbräuche aus Produktion, Transport und Errichtung bereits ausgestoßen wurden und welche in den Nutzungs- und Nachnutzungsszenarien auftreten. Die gebäudebezogenen Treibhausgas-Emissionen sind für den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes von großer Bedeutung.
Adaptierbarkeit und Flexibilität ermöglichen eine intensive Nutzung von Flächen und den Erhalt von Gebäuden auch bei sich verändernden Nutzungsanforderungen. Im Gebäuderessourcenpass kann verzeichnet werden, inwiefern durch die Gebäudekonzeption eine Mehrfachnutzung oder Teilung von Flächen ermöglicht wird. Zudem schaffen Angaben zu Flächennutzungsgrad und Flächenbedarf je Bezugseinheit eine Vergleichbarkeit im Kontext der Nutzungseffizienz und der Suffizienz. Qualitative Aussagen zur Erweiterbarkeit können helfen, die Restnutzungsdauer von Gebäuden zu verlängern und eine intensive Nutzung zu erreichen.
Die Demontagefähigkeit von Gebäuden kann quantitativ oder qualitativ angegeben werden. Die Trennbarkeit der eingesetzten Ressourcen, Produkte und Bauteile in Werkstoffe ist ebenfalls quantitativ in Form von Quoten oder qualitativ beschreibbar.
Um die Kreislauffähigkeit von Bauwerken und ihren Bauteilen zu ermöglichen, müssen bereits in Design- und Entwurfsphasen die End-of-Life-Szenarien mitgedacht werden. Im Entwurf eines Gebäudes bedeutet das, Reparatur, Umbau und Rückbau von Anfang an vorzubereiten und Konzepte und konkrete Anleitungen zu erarbeiten, damit Ressourcen auch in Zukunft wieder zur Verfügung stehen. Die vielfältigen Gestaltungskonzepte, die zum zirkulären Bauen beitragen, können über die Information, ob entsprechende Konzepte und Anleitungen zur Anpassbarkeit, zur Demontage sowie zur sortenreinen Trennung vorliegen, entsprechend im Gebäuderessourcenpass vermerkt werden.
Die künftige Kreislauffähigkeit kann über die Darstellung der möglichen „Nachnutzungswege" der eingesetzten Materialien und Ressourcen beschrieben werden. Die Angaben sollen im Gebäuderessourcenpass auf Grundlage des heutigen Stands der Technik getroffen werden. Im optionalen Zusatzblatt können auch weitere Perspektiven eingenommen werden.
Die Ressourcen des Gebäudes sollen Nachnutzungswegen, wie z.B. Wiederverwendbarkeit oder (stoffliche) Verwertbarkeit zugeordnet werden. Ist keine Nachnutzung möglich, soll angegeben werden, welche Art der Entsorgung oder Deponierung voraussichtlich erforderlich wird. Auf Gebäudeebene sollen die Informationen entsprechend in massenbezogenen Quoten angegeben werden.
Zirkularität schließt verschiedenste Gebäude- und Materialeigenschaften ein. Dementsprechend herausfordernd ist eine aggregierte Gesamtbewertung der Zirkularität. Die gesamte Zirkularität betrifft alle Lebenszyklusphasen des Gebäudes: Bereits erfolgreiche Wiederverwendung von Bauteilen und der Erhalt von Bausubstanz sind ebenso von Bedeutung wie die voraussichtliche zukünftige Kreislauffähigkeit.
Im Gebäuderessourcenpass kann angegeben werden, ob eine aggregierte quantitative Zirkularitätsbewertung anhand einer anerkannten Methodik durchgeführt und welches Ergebnis darin erzielt wurde. Auf diese Weise wird Transparent, welche Methodik zur Bewertung der Zirkularität herangezogen wurde und es wird ein gewisses Maß an Vergleichbarkeit ermöglicht.
Derzeit werden verschiedene Ansätze erprobt, um im Gebäude verbaute Materialien und ihre Eigenschaften zu dokumentieren. Ein Gebäuderessourcenpass muss an die aktuelle und zukünftige Planungspraxis anschließen. Schnittstellen zu gängigen digitalen Planungstools sind daher unerlässlich. Die dem Gebäuderessourcenpass zugrundeliegenden Daten sollten ein hohes Maß an Zugänglichkeit aufweisen. Entsprechend sollten sie digital lesbar sein und die Nutzung durch verschiedene berechtigte Akteure über den gesamten Lebenszyklus ermöglichen. So können zum Beispiel Gebäudeeigentümerinnen und Gebäudeeigentümer, Nutzende sowie Bau- und Abbruchunternehmen von der geschaffenen Transparenz profitieren. Auch Renovierungs- und Wartungsarbeiten sollten protokolliert werden, um nicht nur einen Planungsstand, sondern das Gebäude im Ist-Zustand darzustellen.
Entstanden ist der Gebäuderessourcenpass in enger Abstimmung mit dem 2022 gegründeten DGNB Ausschuss für Lebenszyklus und zirkuläres Bauen. Darüber hinaus fand im Sommer und Herbst 2022 eine offene Konsultationsphase statt, an der schriftlich, in Einzelterminen sowie bei Vorträgen mehr als 150 Vorschläge von externen Personen eingingen. Diese Rückmeldungen, Abstimmungen mit am Markt verfügbaren Tools sowie mit einem Entwurf des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, haben zur weiterentwickelten, im Februar 2023 veröffentlichten Fassung geführt.
Zusätzlich wurden auf Meta- und Detailebenen Abgleiche mit Zielen und Datenstrukturen vorgenommen, sodass eine sehr hohe Anschlussfähigkeit an eine Vielzahl von vorhandenen und neuen Initiativen erreicht werden kann: Von der politischen Steuerungsebene für den Bausektor bis zur Datenstruktur von Bauprodukten.
Die DGNB steht zum Austausch bereit. Gerne nehmen wir an der aktuellen Fassung entsprechende Anpassungen vor, sobald übergeordnete Entwicklungen weiter fortgeschritten sind.
Im Rahmen des DGNB Systems Gebäude Neubau in der kommenden Version 2023 hilft der Gebäuderessourcenpass dabei, in folgenden zwei Kriterien eine gute Bewertung zu erhalten:
Isabell Viola Wellstein
Forschungsprojekte
Telefon: +49 711 722322-46
i.wellstein at dgnb.de
Dr. Anna Braune
Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung
Telefon: +49 711 722322-67
a.braune at dgnb.de