Die nachhaltige Gestaltung von Quartieren zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Stadtplanung. Die Baumaßnahmen, die dabei angestoßen werden, sind in der Regel langfristig angelegt und kostspielig. Fehlplanungen sind nur schwer wieder korrigierbar. Schließlich bauen Quartiere auf komplexen Zusammenhängen auf; unterschiedlichste Akteure müssen mit ihren Interessen berücksichtigt werden. Demnach geht es für die Kommune um mehr als den Bau einer Reihe von Gebäuden. Es geht um die Anbindung an den Verkehr, um die quartiersweite Energieversorgung, um soziale Strukturen und vieles mehr. Entsprechend sollte sich eine Quartiersplanung auf möglichst ganzheitliche Weise an Nachhaltigkeitskriterien orientieren.
Neues Zertifizierungssystem Ergebnis einer strukturierten Weiterentwicklung
Einen Weg für Kommunen, dies zu erreichen, bietet das DGNB Zertifizierungssystem für Quartiere. Mit insgesamt 36 ausgezeichneten Projekten, davon 10 im Ausland, ist die DGNB europaweit Marktführer, weltweit auf dem zweiten Platz. In diesem Jahr nun wurde eine neue Systemversion veröffentlicht, von der sich die DGNB einen weiteren Schub für das Thema erhofft. „Ein einzelnes Gebäude kann einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten. Der nochmals größere Hebel liegt auf der Quartiersebene“, erklärt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. Dabei unterscheidet die DGNB nach Stadtquartieren, Gewerbequartieren und Industriestandorten. Hinzu kommt seit neuestem auch ein Zertifizierungssystem für Event-Areale, das sich derzeit in der Erstanwendung befindet.
Die jetzt erfolgte Überarbeitung der Kriterien bezieht sich auf die Nutzungsprofile für Stadtquartiere und Gewerbequartiere. Die umfassende Neustrukturierung sowie die deutliche Reduzierung des Umfangs von 46 auf 30 Kriterien sind das Ergebnis eines zielgerichteten Prozesses, an dem eine Vielzahl von Experten aus dem Netzwerk der DGNB beteiligt war. „Es ist uns gelungen, unser Zertifizierungssystem so weiterzuentwickeln, dass es alle wichtigen Aspekte bei der Quartiersplanung abdeckt und gleichzeitig maximal anwendungsfreundlich für alle Beteiligten ist“, erklärt Lemaitre. Zudem wurde eine stärkere Harmonisierung mit dem bekannten DGNB Zertifizierungssystem für Gebäude erreicht.
Neue Themen wie Governance, Resilienz und Wandlungsfähigkeit
Inhaltlich wurde an zahlreichen Stellschrauben gedreht. So erhielt beispielsweise das Kriterium „Soziale und funktionale Mischung“ – ein Kernthema nachhaltiger Quartiersentwicklung – eine stärkere Gewichtung. Einige Themen, die bislang nur einen minimalen Einfluss auf die Gesamtbewertung hatten, wurden dagegen gestrichen. Hier zählen etwa die Kriterien „Kunst am Bau“ oder „Baustelle / Bauprozess“. Zahlreiche weitere Kriterien wurden mit inhaltlich verwandten Themen zusammengelegt.
Ganz neu integriert bzw. grundlegend überarbeitet wurden vier Kriterien. Das Kriterium „Emissionen / Immissionen“, das zuvor „Lärm- und Schallschutz“ hieß, wurde erweitert um die Themen Luftqualität und Lichtverschmutzung. Bereits in der Planung Strukturen anzulegen, die nach der Realisierung des Quartiers Bestand haben, darauf zielt das Kriterium „Governance“ ab. Beim gänzlich neuen Kriterium „Resilienz und Wandlungsfähigkeit“ geht es darum, eine Quartiersentwicklung zu fördern, die eine möglichst hohe Flexibilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber möglichen Störfällen impliziert. Stark erweitert in seiner Betrachtungsweise wurde das Kriterium „Smart Infrastructure“. Dieses umfasst unter anderem die Frage, inwieweit Digitalisierung grundsätzlich in der Quartiersplanung integriert ist und welche infrastrukturellen Voraussetzungen es hierfür gibt – in den Gebäuden und den Freiflächen gleichermaßen. Dieses Kriterium, das dem Thema „Smart Cities“ Rechnung trägt, ist bewusst offen formuliert, da sich technologisch in diesem Bereich aktuell sehr viel bewegt.
Um eine internationale Anwendbarkeit des DGNB Systems für Quartiere zu gewährleisten, wurde dieses in einigen Kriterien inhaltlich erweitert. Dies betrifft beispielsweise das Kriterium „Umweltrisiken“, in dem neben den in Deutschland häufig auftretenden Umweltgefahren wie Sturm oder Hochwasser auch international relevante Risiken wie Erdbeben, Vulkanausbrüche oder Tsunami ergänzt wurden.