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Positionspapiere

Klimaschutz und das Gebäudeenergiegesetz (GEG):
Ohne Innovationsklausel fördert das GEG klimaschutzorientierte Innovationen nur unzureichend

Der Entwurf des GEG fordert die Einhaltung energetischer Anforderungen an Gebäude anhand einer Vielzahl von Einzelaspekten. Dabei werden wichtige und richtige beschreibende Anforderungen an Elemente der Gebäudehülle genauso gesetzt wie Anforderungen an die Effizienz der geplanten Anlagentechnik sowie an die Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern. Darüber hinaus werden für den Kennwert der nicht-erneuerbaren Primärenergie Maximalwerte formuliert, die sich aus einer Referenzbauweise von Gebäuden ableiten.

Eine Kritik am GEG – und auch schon an der Energieeinsparverordnung (EnEV) – ist, dass das Regelwerk durch seine beschreibenden Vorgaben die Potenziale zur Einsparung von Gebäudeenergie oder zur Senkung von klimaschädlichen Emissionen nicht ausschöpft. Hier könnten innovative, jedoch bislang normativ nicht unterlegte Ansätze wie zum Beispiel die Abwärmenutzung von Abwasser oder Nutzerenergie zusätzliche Einsparpotenziale ermöglichen. Effektive, klimaschutzorientierte Innovationen werden auf diese Art nicht oder nur unzureichend gefördert. Für die Genehmigung von solchen innovativen "Ausnahmen" sind Planer auf bereitwillige und kompetente Partner auf Seite der Genehmigungsbehörde angewiesen. Die Dringlichkeit der Lösung der Klimakrise und die Langfristigkeit der bei Gebäuden umgesetzten Maßnahmen erfordern ein Umdenken und eine stärkere Ausrichtung des GEG als Klimaschutzinstrument.

Wie sich das GEG stärker am Klimaschutz ausrichten ließe

Folgende zwei Anforderungen muss ein klimaschutzorientiertes GEG erfüllen:

1. Die Klimawirkung von Gebäuden über eine adäquate Anforderungsgröße direkt adressieren

Hierzu bedarf es einer Umstellung des Ordnungsrechts von der Hauptanforderungsgröße "Primärenergiebedarf" auf "Treibhausgasemissionen". Eine solche Umstellung brächte den Vorteil mit sich, dass damit eine hohe ökologische Zielgenauigkeit in Hinblick auf Klimaziele erreicht würde. Die entsprechenden Emissionsfaktoren würden (anders als die aktuell geltenden Primärenergiefaktoren) ganz unverzerrt die unterschiedliche Klimawirkung der verschiedenen Energieträger widerspiegeln. Außerdem würde eine Anforderungsgröße Treibhausgasemissionen den Vergleich der Treibhausgas-Vermeidungskosten mit Maßnahmen in anderen Sektoren erleichtern.

2. Die Möglichkeit bieten, neue und in ihrer Klimaschutzwirkung effektivere Lösungen ohne Hürden umzusetzen

Das betrifft einerseits innovative bauliche Lösungen. Insbesondere beim Einsatz neuer Bauprodukte, Bauarten oder Technologien stehen nicht immer alle für einen regulären rechnerischen Nachweis nötigen normativen Grundlagen zur Verfügung. Ein größerer Spielraum für die Zielerreichung bei gleichzeitiger klarer Festlegung von Mindestzielen könnte hier zu klimaschutzeffektiveren baulichen Lösungen führen. 

Weiterhin geht es hierbei um innovative methodische Lösungen. D.h. neue Nachweisverfahren (über Berechnung oder Messung) auf Anwendbarkeit und Tauglichkeit zu testen bzw. als alternative Nachweismethoden zuzulassen.

Die Innovationsklausel als Einstieg in ein stärker am Klimaschutz ausgerichtetes GEG

Im aktuellen Entwurf des GEG (Stand November 2019) bekommt der Klimaschutz eine etwas exponiertere Position als bislang in der EnEV. Es soll die Verpflichtung bestehen, im Energieausweis auch die gebäudebedingten Treibhausgasemissionen auszuweisen. Zudem sind die Treibhausgasemissionsfaktoren an aktuelle Gegebenheiten angepasst.

Im Entwurf von November 2019 findet sich zudem eine neue Klausel, "§ 103 Innovationsklausel". Diese bietet die Möglichkeit, die Anforderungen des GEG nicht über die Hauptanforderung des zulässigen Jahres-Primärenergiebedarfs, sondern über eine auf die Begrenzung von Treibhausgasemissionen fokussierte Anforderung zu erfüllen. Grundsätzlich erfüllt die Klausel in ihrer aktuellen Ausgestaltung die oben genannten Anforderungen für eine stärkere Klimaschutzorientierung des GEG: 1) die direkte Adressierung der Klimawirkung und 2) die Möglichkeit für neue, klimaschutzeffektivere Lösungen.

Argumente für die Innovationsklausel

  • Treibhausgasemissionen haben als Anforderungsgröße eine größere Lenkungswirkung hinsichtlich Klimaschutz als primärenergetische Anforderungen

    Da der Klimawandel unmittelbar an die Treibhausgasemissionen und nur mittelbar an den Primärenergieverbrauch gekoppelt ist, ist es naheliegend, dass die Hauptanforderungsgröße eines auf Klimaschutz abzielenden Gesetzes die Treibhausgasemissionen begrenzen muss. Ein häufig geäußerter Einwand gegen eine Umstellung der Anforderungsgrößen von Primärenergie auf Treibhausgasemissionen ist, dass primärenergetische Anforderungen bereits genügend Lenkungswirkung Richtung Klimaschutz entfalten. Dies trifft allerdings nicht zu.

    Es zeigt sich, dass die Angabe und Beurteilung allein anhand des Primärenergiebedarfs zu einer Fehlinterpretation und einer Fehlentwicklung führt, da die aktuell geltenden Primärenergiefaktoren (PEF) unterschiedlicher Energieträger kein geeignetes Maß zur Bestimmung der Treibhausgasemissionen sind. So werden die unterschiedlichen Treibhausgas-Intensitäten verschiedener fossiler Energieträger nicht adäquat abgebildet. Die PEF beispielsweise von Heizöl und Erdgas (in beiden Fällen 1,1) sind trotz eines deutlich unterschiedlichen Treibhausgas-Emissionsfaktors (THG-Faktor) (für Heizöl 310 bzw. für Erdgas 240 g CO2-Äquivalent pro kWh) identisch. Damit entfaltet sich keine Lenkungswirkung hin zu treibhausgasärmeren fossilen Brennstoffen.

    Doch nicht nur bei fossilen, sondern auch bei regenerativen Energieträgern sind die PEF kein geeigneter Maßstab zur Darstellung der Klimawirkung. Um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern, wird in der Berechnungsmethodik des GEG nur der nicht-erneuerbare Anteil des Primärenergiefaktors PEFne berücksichtigt. Auch wenn dieser Ansatz nachvollziehbar ist, so führt das dazu, dass die PEF verschiedener regenerativer Energieträger entweder bereits Null betragen (Beispiel Fernwärme) oder nahe Null liegen (Beispiel Holz). Auch der Energieträger Strom ist in den vergangenen Jahren aus primärenergetischer Sicht durch eine fortlaufende Absenkung des PEF immer bessergestellt worden, da in zunehmendem Maße erneuerbare Anteile in die Erzeugung einfließen. Damit geht die Steuerungswirkung der PEF insbesondere für regenerative Energieträger gänzlich verloren.

  • Klimaschutz beim Planen und Bauen braucht gleichermaßen ambitionierte, ergebnisorientierte Vorgaben wie auch Spielraum zum Experimentieren

    Die Einführung einer Innovationsklausel im GEG ist ein wichtiges Signal an die Baubranche, sich um mehr Innovation zu bemühen. Es ist festzustellen, dass sich das Bemühen um innovative Konzepte bislang in Grenzen hält. Innovationen werden über mehr Offenheit der Berechnungsregeln bei dennoch klaren Zielvorgaben an die Planer und Behörden gefördert. Gerade neuartige Technologien oder Materialien wie beispielsweise die Anwendung von Lehm als Baustoff sind nur dann im Genehmigungsprozess abbildbar, wenn es die Möglichkeit gibt, über alternative Nachweisverfahren und insbesondere ergebnisorientierte Anforderungen den Nachweis der Gleichwertigkeit führen zu können. Genau hier greift die Innovationsklausel im neuen GEG.

Fakten zur Innovationsklausel

Gegenüber der Innovationsklausel existieren Bedenken, die wir im Folgenden ausräumen wollen.

  • Eine Unterschreitung der regulären Wärmeschutzanforderungen ist ausgeschlossen

    Die Kritik an der Innovationsklausel wurde mit Verweis auf das "Zelt mit Solarthermie“ damit begründet, dass mit der Klausel eine „Unterschreitung der bisherigen baulichen Anforderungen an die Gebäudehülle“ ermöglicht wird. In älteren Versionen war tatsächlich eine 20-prozentige (Wohngebäude) bzw. 25-prozentige Untererfüllung der Wärmeschutzanforderungen vorgesehen. Spätestens mit der aktuellen Fassung (Stand November 2019) sind die regulären Wärmeschutzanforderungen auch für die Innovationsklausel bindend, womit eine Unterschreitung ausgeschlossen ist.

  • Ein Freikaufen von Effizienz-Pflichten über Ökostrom-Zukauf ist nicht möglich

    Weiterhin entzündete sich Kritik an der Klausel an der Vermutung, dass man sich durch „Zukauf CO2-freien Ökostroms von den Effizienz-Pflichten „freikaufen“ könne. Dies trifft nicht zu. Anlage 8 des GEG-Entwurfs regelt eindeutig, welche THG-Faktoren für die Ermittlung der Treibhausgas-Bilanz zu verwenden sind. Strom hat demnach einen THG-Faktor von 560 g CO2 Äquivalente / kWh. Für Ökostrom ist kein alternativer Faktor vorgesehen und auch gemäß Methodik nicht ansetzbar. Allein eigenerzeugter PV-Strom am Gebäude kann in die Bilanz mit 0 kg CO2 Äquivalente / kWh eingehen, adäquat zur primärenergetischen Betrachtung.

  • Treibhausgasemissionen sind in den meisten Fällen der strengere Bewertungsmaßstab

    Als Argument gegen eine Umstellung der Anforderungsgröße von Primärenergiebedarf auf Treibhausgasemissionen wird ins Feld geführt, dass "die Begrenzung der Treibhausgasemissionen eine schwächere Anforderung an die energetische Qualität ist als die Begrenzung der Primärenergie". Dies trifft in den meisten Fällen nicht zu. Erste Auswertungen auf Basis DGNB-zertifizierter Gebäude zeigen, dass die gesetzlichen Anforderungen bei einer Betrachtung durch die primärenergetische "Brille" in elf von 14 betrachteten Fällen erfüllt oder deutlich überfüllt werden (siehe Abbildung 1). Bei einer Betrachtung derselben Gebäude durch die "Brille" der Treibhausgasemissionen jedoch ist das Ergebnis genau umgekehrt: Hier erreichen nur vier von 14 Gebäuden den für die Innovationsklausel nachzuweisenden Treibhausgas-Anforderungswert. Daneben verlangt die Innovationsklausel den Nachweis, dass der vom Referenzgebäude vorgegebene Endenergiebedarf um mindestens 25 Prozent unterschritten wird. Dies ist unter den untersuchten 14 Gebäuden nur bei fünf Gebäuden der Fall. Insofern erweisen sich die nach Innovationsklausel formulierten Anforderungen im Vergleich zu den regulären GEG-Anforderungen in den meisten untersuchten Projektbeispielen als der hinsichtlich Klimaschutz "strengere" Bewertungsmaßstab. Die Angst vor einem "Ausnutzen" der Innovationsklausel ist also unbegründet.

  • Anders als die Befreiungsregelungen (nach § 102) stellt die Innovationsklausel (nach § 103) nicht auf die Befreiung von Anforderungen ab, sondern auf die Möglichkeit der Erfüllung der Anforderungen auf alternativem Wege.

    Befreiungsregelungen gibt es bereits in der EnEV (§ 24 Absatz 2 und § 25) und im EEWärmeG (§ 9). Auch im GEG ist mit § 102, der die o.g. Regelungen aus EnEV und EEWärmeG zusammenfasst, die Möglichkeit von Befreiungen vorgesehen. Anders als bei den Befreiungsregelungen nach § 102 geht es bei der Innovationklausel nach § 103 allerdings nicht um eine Befreiung von den ordnungsrechtlichen Anforderungen, sondern um das Ermöglichen der Erfüllung der Anforderungen auf alternativem Wege. Und anders als bei den genannten Befreiungsregelungen stützt sich die Begründung nicht auf das Vorliegen einer unbilligen Härte, sondern auf das Fehlen normativer Grundlagen für einen regulären rechnerischen Nachweis.

  • Der zusätzliche Aufwand für die Genehmigungsbehörden hält sich in Grenzen

    Der Bundesrat hatte in einer Stellungnahme zum GEG die Befürchtung geäußert, dass die Prüfung, ob die materiellen Anforderungen des GEG durch neue Methoden, Verfahren oder Techniken in jedem Einzelfall gleichwertig erreicht werden, spezialisierte Fachkenntnisse erfordert, die jedoch bei den zuständigen Behörden grundsätzlich nicht vorliegen würden. Entsprechend fordert der Bundesrat, dass die Beweispflicht beim Bauherrn liegen solle, um die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, über die Gleichwertigkeit innovativer Ansätze zu entscheiden.

    Es ist nach aktuellem Stand der Innovationsklausel ohnehin vorgesehen, dass der Antragsteller der zuständigen Behörde spätestens ein Jahr nach Fertigstellung einen Bericht mit den wesentlichen Erfahrungen bei der Anwendung der Regelung, insbesondere über die Investitionskosten und Energieverbräuche vorzulegen hat. Aus diesen Erfahrungen möchte die zuständige Bundesbehörde Erkenntnisse ob der Wirksamkeit und der Kostenintensität zusammentragen. Werden vordefinierte Formate genutzt, reduziert sich der Aufwand. Eine Beurteilung der Berichte muss nicht projektindividuell durch die Landesbehörden durchgeführt werden, sondern sollte Bestandteil der zentralen Auswertung durch die Bundesbehörde sein. Der Treibhausgas-Ausstoß ist heute bereits Bestandteil des Energieausweises und muss nun bezüglich seiner Unterschreitung gegenüber dem Referenzwert geprüft werden. Es geht im Grunde um ein „Weitergeben“ der Berichte an die zuständige Bundesbehörde.

Stellungnahme als Download
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