In den vergangenen Jahren hat der Begriff „Circular Economy" zunehmend Verbreitung gefunden und auch das Bauwesen erreicht. Für die Umsetzung des Konzepts in der Bau- und Immobilienwirtschaft gibt es verschiedenste Stellschrauben. Welche das sind und welche Akteure dabei in welcher Form gefragt sind, hat die DGNB in dem Report „Circular Economy – Kreisläufe schließen, heißt zukunftsfähig sein" zusammengestellt und gibt damit Bauherren und Planer eine Toolbox an die Hand, die aufzeigt, wie der Gedanke der Circular Economy am Projekt realisiert werden kann.
Die Circular Economy basiert auf den drei Prinzipien der Ellen MacArthur Foundation, die sich wie folgt umsetzen lassen:
Die DGNB baut auf dieser Definition der Circular Economy auf und möchte zu einem weitgehenden Konsens und zur Verbreitung dieses Grundverständnisses beitragen.
Das global verbreitete lineare Wirtschaftssystem beruht auf einem Leben auf Pump. Es basiert auf der Verwendung von endlichen Ressourcen und führt dazu, dass durch zunehmenden Konsum und Bevölkerungswachstum die Ressourcen immer knapper werden, die Umweltprobleme sich stetig verschärfen und die globale Ungerechtigkeit drastisch zunimmt.
Statt also wie bisher Ressourcen ungeachtet ihrer Endlichkeit abzubauen und sie nach einer kurzen Nutzungsphase wieder zu entsorgen, sollten wir den Fokus auf den Erhalt der Qualität und die dadurch mögliche Kreislaufführung zwischen den Phasen der Herstellung und der Nutzung legen.
In Anbetracht der Tatsache, dass die global verfügbaren Ressourcen endlich sind, wird es zunehmend wichtiger, die der Erde einmal entnommenen Rohstoffe in einem hochwertigen Zustand zu behalten und sie möglichst lange zu verwenden. Stattdessen werden immer neue Ressourcen in immer neue Gebäude und Konsumgüter eingebracht, die in der Regel über viele Jahrzehnte darin verbleiben bzw. darin „lagern". Anstatt diese am Lebensende zu entsorgen, werden der Gebäudebestand und auch die durch den Menschen hergestellten Güter inzwischen immer häufiger als eine zentrale Quelle für Rohstoffe in Betracht gezogen. In diesem Zusammenhang spricht man von „Urban Mining" bzw. von dem anthropogenen (d. h. durch den Menschen geschaffenen) Lager.
Im Jahr 2018 hat die DGNB eine Workshop-Reihe zum Thema „Circular Economy" gemeinsam mit Experten aus der Bau- und Immobilienbranche und aus der Abfallwirtschaft durchgeführt. Die in den Workshops erarbeiteten Inhalte finden sich in dem Report „Circular Economy – Kreisläufe schließen, heißt zukunftsfähig sein" wieder.
Zum Report
Der verantwortungsvolle Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen ist seit jeher eine elementarer Bestandteil des DGNB Systems, ebenso wie die ganzheitliche Bilanzierung, die bewusste Auswahl von Bauprodukten hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Herkunft, aber auch die Betrachtung der strukturierten und sortenreinen Rückbaubarkeit.
Das Konzept der Circular Economy ist somit schon immer in den Kriterien des DGNB Systems verankert, im Neubau wird dieser Bezug insbesondere in folgenden Kriterien deutlich:
Über die Indikatoren der einzelnen Kriterien hinaus gibt es in den aktuellen Versionen des DGNB Systems für den Neubau oder den Betrieb von Gebäuden, für Innenräume, für Quartiere sowie für den Rückbau von Gebäuden (in der Erstanwendung) auch die Möglichkeit, Circular Economy Boni zu erhalten. Durch die Vergabe von Bonuspunkten, die sich positiv auf das Zertifizierungsergebnis auswirken, werden besonders fortschrittliche Lösungen im Sinne der Kreislauffähigkeit messbar und bewertbar gemacht. Hierdurch werden Anreize gesetzt und Experimentierräume geschaffen, um neue Lösungen zu entwickeln und Innovationen zu fördern.
In der folgenden Übersicht erhalten Sie für alle Nutzungsarten eine Übersicht der zu erreichenden Circular Economy Boni.
Zukunftsfähiges Bauen gelingt nur, wenn jeder seiner Verantwortung nachkommt und die entsprechenden Potenziale nutzt. Nur so kann aus Einzelmaßnahmen ein verbessertes großes Ganzes resultieren – jeder Beitrag ist wichtig und zählt!
Inhaltlich zielt das DGNB Rückbauzertifikat darauf ab, Rohstoffe im Kreislauf zu führen, Recycling zu unterstützen und die zu entsorgenden Massen zu reduzieren. Als Qualitätssicherungsinstrument setzt es Anreize, die Nachhaltigkeit von Rückbauprozessen, die vor einer Neubau- oder Sanierungsmaßnahme stattfinden, auf ganzheitliche Weise zu erhöhen. Dabei geht es um mehr als eine sortenreine Trennung von Abfällen oder die Wiederverwendung von Materialien. Auch Themen wie Gefahrstoffsanierung, Risikobewertung und Kostensicherheit stehen im Fokus.
Insgesamt können fünf Grundprinzipien definiert werden, die einen nachhaltigen Gebäuderückbau ausmachen:
Transparenz schaffen: Um die Werte der vorhandenen Ressourcen sichern zu können, muss Transparenz geschaffen werden hinsichtlich der beim Rückbau anfallenden Massen und Transportwege, der Kosten und Risiken des Rückbaus und der Werte der Ressourcen, die am Ende des Lebenszyklus noch vorhanden sind.
Gefahrstoffe identifizieren: Zudem gilt es, Gefahrstoffe zu identifizieren und angemessen zu beseitigen. Ziel ist es hierbei nicht, dass um jeden Preis eine Wiederverwendung stattfindet, sondern eine möglichst hohe sortenreine Trennung erreicht wird, die Gefahrstoffe separiert, damit die weiteren Stoffströme im Kreislauf gehalten werden können.
Verwertung und Entsorgung optimieren: Um im Sinne der Kreislaufwirtschaft einen hohen Wert der Ressourcen beizubehalten, ist eine Optimierung der Verwertungs- und Entsorgungswege erforderlich und möglichst eine Wiederverwendung oder Verwertung vor Ort anzustreben. Ebenso müssen die anfallenden Massen auf der Baustelle sortenrein getrennt werden.
Menschen im Fokus: Eine besonders hohe Relevanz kommt dem Umgang mit den Beteiligten zu. Zum einen spielt hier das Thema Sicherheit eine wichtige Rolle. Zum anderen ist eine proaktive Kommunikation sowohl mit den Mitarbeitern als auch mit den Anwohnern entscheidend. Sie ermöglicht einen reibungslosen Ablauf und beugt Konflikten vor.
Prozesse verbessern und ausbauen: Um diese Ziele zu erreichen, müssen bereits bestehende Rückbauprozesse verbessert und erweitert werden. Da die Prozesse entscheidend sind für die Optimierung des Rückbaus insgesamt, legt das DGNB System hier einen klaren Fokus.
Die Wiederverwendung von Baustoffen und Bauteilen ebenso wie deren Verwertung bieten große Potenziale in allen drei Säulen der Nachhaltigkeit. Eine detaillierte Übersicht erhalten Sie hier.
In der Praxis scheitert eine Umsetzung in der Regel aktuell jedoch vor allem an der inneren Haltung der am Bauprozess beteiligten Akteure sowie der Gebäudenutzer, da Bauteile, die bereits verwendet wurden, häufig noch automatisch mit einer niedrigeren Qualität in Verbindung gebracht werden. Hinderlich sind auch die bestehende Unsicherheit und Unwissenheit bezüglich der Rechtslage bei dem Wiedereinsatz gebrauchter Bauteile und Baustoffe sowie die Tatsache, dass die bestehenden Prozesse häufig noch nicht wirtschaftlich und dementsprechend noch nicht skalierbar sind. Darüber hinaus besteht heute ein Verfügbarkeitsproblem: Nicht immer sind die entsprechenden Materialien oder Produkte in der erforderlichen Menge mit den gleichen Qualitätsniveaus überhaupt vorzufinden.
Für die Wiederverwendung lassen sich drei konkrete Handlungsfelder identifizieren:
Die jeweiligen Herausforderungen sowie die daraus resultierenden Aufgaben und notwendigen Schritte für die am Bauprozess beteiligten Akteure sind nachfolgend dargestellt:
Handlungsfelder Wiederverwendung
Verliert ein Gebäude seine ursprüngliche Funktion, erfolgt der Rückbau. Wurde eine mögliche Wiederverwendung der Bauteile/Teilbauteile/Bauprodukte ausgeschlossen, stellt die Verwertung ein mögliches Szenario dar. Um eine spätere Verwendung oder Verwertung zu ermöglichen, sind anfallende Bau- und Abbruchabfälle laut Gewerbeabfallverordnung getrennt zu sammeln und zu befördern.
Für die Verwertung lassen sich vier konkrete Handlungsfelder identifizieren:
Die jeweiligen Herausforderungen sowie die daraus resultierenden Aufgaben und notwendigen Schritte für die am Bauprozess beteiligten Akteure sind nachfolgend dargestellt:
Das Teilen von Flächen ist – wie viele andere Ansätze der Circular Economy auch – keine neuartige Idee, sondern im Alltag bereits in vielen Bereichen akzeptiert und verbreitet. Die
Motivation für die Mehrfachnutzung kann beispielsweise aus Gründen der Effizienz entstehen, etwa indem gemeinschaftliche Infrastruktur und Versorgungsflächen wie Küchen oder Sanitäreinrichtungen nur einmal angelegt werden müssen und die Pflege und Instandhaltung unter den Nutzern aufgeteilt werden kann. Es können aber darüber hinaus auch soziale Aspekte eine Rolle spielen, wenn über die gemeinschaftliche Nutzung von Flächen soziale Kontakte entstehen, das Quartier durch längere Nutzungszeiten und eine höhere Vielfalt belebt wird und ein stärkerer Austausch mit dem gesellschaftlichen Umfeld erfolgt.
Die DGNB hat die Mehrfachnutzung von Flächen in ihrem Zertifizierungssystem bereits von Anfang an gefördert. Maßnahmen zur Erhöhung der Zugänglichkeit von Gebäuden (z. B. öffentlich nutzbare Freianlagen am Gebäude, öffentlich zugängliche gastronomische Angebote oder die Vermietung von Räumlichkeiten an Dritte) sowie zur Steigerung der Nutzungsvielfalt sorgen dafür, dass sich die tägliche Nutzungsdauer des Gebäudes verlängert und mehr Menschen an der Gebäudenutzung teilhaben können. Dies wiederum fördert die Identifikation der Nutzer mit dem Quartier und der gebauten Umwelt. Mit der Version 2018 des DGNB Systems wird die Mehrfachnutzung von Flächen darüber hinaus durch zwei Circular-Economy-Boni belohnt.
Lesen Sie hier mehr zu den Potenzialen aber auch den Grenzen der Mehrfachnutzung.
Welche zentralen Herausforderungen und Anforderungen werden an die Mehrfachnutzung von Flächen gestellt?
Folgende Handlungsfelder lassen sich ableiten:
Finden Sie hier Checklisten zum Download mit relevanten Fragestellungen, welche Bauherren und Planer im Laufe des gesamten Planungsprozesses hinsichtlich des Rückbaus und bei der Mehrfachnutzung von Flächen berücksichtigen sollten.
Mehr zum Thema finden Sie hier.
Finden Sie im Folgenden erste beispielgebende Projekte, die das Konzept einer Circular Economy umgesetzt haben.
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Rathaus Korbach Rückbau des nicht sanierungswürdigen Rathaus-Anbaus aus dem Jahr 1970 und Errichtung eines Neubaus an derselben Stelle. Selektiver Rückbau mit anschließendem ortsnahen Recycling der mineralischen Abbruchmaterialien. Die Fertigstellung ist zum Jahr 2021 geplant. |
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Reallabor Space Sharing Stuttgart Mit dem „Reallabor Space Sharing" werden praxisnah neue Modelle der Raumnutzung und Nutzungsintensivierung durch Mehrfachnutzung erforscht und erprobt. Das im Jahr 2015 ins Leben gerufene Projekt ist ein vom „Ministerium für Wissenschaft, |
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Urban Mining & Recycling (UMAR) Kreislaufgerechte Experimentaleinheit im Forschungsgebäude NEST der Empa (Dübendorf, CH) Einsatz lediglich sortenreiner, schadstofffreier und vollständig wieder- und weiterverwendbarer, -verwertbarer, bzw. kompostierbarer Materialien. Die Materialien werden nach dem Rückbau (geplant 2023) in ihre biologischen und technischen Kreisläufe zugeführt. |
An dieser Stelle sollen mittelfristig weitere Beispiele aufgezeigt werden. Gerne können Sie sich zur Darstellung Ihres Projekts an Christine Ruiz wenden.
Was braucht es, um den Gedanken der Circular Economy in der Öffentlichkeit zu verankern? Welche Rolle spielt Circular Economy bereits in Unternehmen? Wir haben mit Experten zu diesem Thema gesprochen und erste Stimmen aus der Praxis gesammelt.
Martin Pauli von Arup Deutschland GmbH
Tina Snedker Kristensen von Troldtekt A/S
Alexander Geißels von SAINT-GOBAIN ISOVER G+H AG
Teodor Tudorica von CRAFTWAND
DGNB Blog:
Die DGNB Akademie hat eine Seminarreihe zum Thema Circular Economy entwickelt. Alle kommende Termine finden Sie hier.
Darüber hinaus ist die DGNB zum Thema Circular Economy immer wieder auf eigenen und externen Veranstaltungen vertreten. Alle aktuellen Termine finden Sie hier. Digitale Angebote der DGNB zum Thema finden Sie hier.
Christine Ruiz Duran
Projektleiterin Forschungsprojekte - Schwerpunkt Circular Economy
Telefon: +49 711 722322-46
c.ruiz at dgnb.de